Dokumente: Reitunterricht

2.5     Reitunterricht

Nachdem ich nun meine schöne und gemütliche Unterkunft hatte, der auch meine ersehnte Einteilung für die Kanzlei folgte und ich rein äusserlich - der Uniform nach - bereits einen Kavalleristen darstellte, musste ich auch in der Pflege und dem Satteln der Pferde, vorallem aber als Reiter ausgebildet werden. Ich war meinem Eskadrons-Chef, Graf Palffy, sehr dankbar dafür, dass er meine Ausbildung dem Offiziers-Stellvertreter Kovacs übertragen hatte, denn er war der älteste Reitlehrer mit besten Erfahrungen und konnte mir ausserdem alles gut in Deutsch verdolmetschen.

Wer je einen stolzen Kavallerie-Reiter - keinen Herrenreiter - hoch zu Ross vorbeireiten sah, ahnte leider nicht, mit welchen unendlichen Arbeiten und Mühen dieser Stolz erkauft werden muss. Diese Erkenntnis habe ich in der Ausbildungszeit oft am eigenem Leib erfahren müssen, denn die Pflege des Pferdes war für mich ein Problem ersten Ranges. Man muss schon als Bauernsohn geboren und ständig Umgang mit Pferden gehabt haben, um furchtlos in den Stand zu treten, schon allein deshalb, weil es Biester gibt, die beissen und schlagen. Ich als Laie spürte anfangs bei jeder Kopfwendung des Pferdes ein besonderes Misstrauen und es dauerte lange, bis ich meine Unsicherheit überwunden habe.

Zur vorschriftsmässigen Pflege - nach militärischer Art - gehört als erstes das ewige Bürsten, damit das Fell vom Kopf bis zum Fuss einen Glanz erhält und es darf bei einer Pferdevisite auf dem weissen Glace-Handschuh des Offiziers nicht der geringste Schimmer von Staub zurückbleiben. Eine mühselige Anstrengung, besonders für denjenigen, der mit solchen Arbeiten - wie ich - nicht vertraut war. Ausser dem Bürsten müssen natürlich auch die Hufe ausgewaschen und eingefettet, die Mähne und Schweif über Nacht mit Stroh eingeflochten werden, damit sie früh beim Aufkämmen eine Art von Dauerwellen darstellen. Diese Art von Pflege muss täglich 2 bis 3 mal wiederholt werden, denn die Parole des Kavalleristen lautet: zu erst das Pferd, dann der Reiter selbst. Soweit es in meinem Ausbildungsprogramm stand, hat mir die Pferdepflege das meiste Unbehagen bereitet.

Wenn auch das Satteln und Aufzäumen recht kompliziert war, bedurfte es - abgesehen davon, dass auf dem Sattelzeug auch viel zu putzen war - einer weit geringeren Kraftanstrengung, als die Pflege des Pferdes selbst. Nach einigen Übungen war ich soweit, mein Pferd selbst satteln zu können. Diese Art der Ausbildung war für mich bald beendet, denn laut Dienstreglement waren die Unteroffiziere - wie auch ich einer war - vom Putzen und Satteln der Pferde befreit.

Nun begann der wichtigste Teil meiner Ausbildungsperiode und zwar das Reiten selbst. Zuerst das Aufsitzen. Den linken Fuss in den Steigbügel, mit der linken Hand sich an einem Büschel der Mähne und mit der Rechten am Sattel haltend war man durch leichtes Abstossen des rechten Fusses mit einem Schwung im Sattel. Schon bei der ersten Übung hat mein Reitlehrer ungläubig zugesehen und mich gelobt, wie schnell ich das begriffen und durchgeführt habe. Diese Übung hatte ich dem Turnunterricht vor Beginn meiner Militärzeit zu verdanken, denn das Auf-und Abspringen auf dem Holzpferd hatte vieles mit dieser Ausbildung gemeinsam. Nach dem Aufsitzen wurde das Pferd an eine lange Gurte (Longe) gebunden und los ging es - im Kreis herum wie im Cirkus - wobei der Reitlehrer Erläuterungen über die Haltung des Körpers, der Arme und Schenkel gab. Zuerst wurde das longieren im Schritt, dann Trab und Galopp geübt und öfters wiederholt, damit ich als angehender Reiter die notwendige Sicherheit gewinne. Die Reitstunden, das Schönste im ganzen Ausbildungsprogramm, waren für mich auf je 2 Stunden täglich festgesetzt und waren durch das ungewohnte Rütteln des ganzen Körpers sehr appetitanregend, sodass eine Scheibe trockenen Komisbrotes besser schmeckte als der feinste Leckerbissen. Später wurden die Reitstunden, je nach Witterung, in der offenen oder gedeckten Reitschule fortgesetzt und dem Longieren folgte die selbstständige Führung des Pferdes mit kleinen Ausritten in's Freie und Übungen im Übersetzen von Hürden und Gräben. Ich beendete nach knappen 8 Wochen Ausbildungszeit meinen Reitunterricht mit sehr zufriedenstellend.